Düsseldorf, 05.10.2023. Ein heute veröffentlichtes unabhängiges Rechtsgutachten, welches der Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags NRW im Auftrag der Grünen Abgeordneten Antje Grothus hat erstellen lassen, bezweifelt, dass Enteignungen von bewohnten Hofstellen im Rheinischen Reviers den Betroffenen zuzumuten sind. Unter anderem zur Aufschüttung von Terrassen und einer Hafenanlage im geplanten Tagebausee Hambach möchte RWE so viel Sand und Kies abbauen, dass hierfür ein Landwirt in Kerpen-Manheim (alt) sein Geburts- und Wohnhaus verlieren soll. Auf Grund des hohen Grundrechtseingriffs fordert Antje Grothus von RWE, auf dessen Umsiedlung zu verzichten.
„Es ist völlig aus der Zeit gefallen, heute noch Menschen ihre Felder oder gar ihr Haus für den Tagebau wegzunehmen“, so die Kerpener Landtagsabgeordnete.
Das von einem Aachener Rechtsprofessoren erstellte Gutachten stellt fest, dass im Einzelfall die Gemeinwohlbelange zwischen Enteignung und Rekultivierung abgewogen werden müssen. Nur wenn das öffentliche Interesse überwiegt, dürfe nach dem Bergrecht enteignet werden.
Pläne des Konzerns RWE sehen vor, dass die Flächen des umsiedlungsbedrohten Landwirts abgegraben werden, um an anderer Stelle bereits beanspruchte Flächen wieder aufzuschütten. Die Flächen des Landwirts müssten danach allerdings selber wieder rekultiviert werden.
Dies „kommt generell nicht in Betracht“, so das Gutachten, denn „ein Zurückbleiben von Bodenvertiefungen an anderer Stelle ist nicht im öffentlichen Interesse. Dieser öffentliche Belang steht dann einer Enteignung entgegen und muss mit hinreichendem Gewicht in die erforderliche Gesamtabwägung einbezogen werden.“
Auch im Sinne eines gelingenden Strukturwandels in der Region regt das Gutachten an, „inwieweit nicht eine Verständigung der verschiedenen Interessengruppen und Beteiligten angezeigt ist, um langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen zu verhindern und den Vorgang des Braunkohletagebaus im Rheinland durch eine möglichst zügige Wiedernutzbarmachung abzuschließen, in deren Gefolge dann auch umso schneller Bergbaufolgelandschaften entstehen und eine Anschlussnutzung erfolgen kann.“
„Die Menschen in unser aller Revier brauchen endlich Klarheit. RWE sollte daher nicht einen langwierigen Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang gegen den Landwirt suchen, sondern versichern, dass er nicht mehr zwangsumgesiedelt wird. Erst wenn RWE enteignungsfreie Tagebauplanungen vorlegt, kann die Situation an den Tagebauen endlich befriedet werden und eine vorausschauende und sozialverträgliche Planung für die Tagebaufolgelandschaften gefunden werden“, so Grothus.
Rückenwind bekommt sie dabei von der neuen Leitentscheidung der Landesregierung. Diese besagt unter anderem, dass „so wenig intakte Fläche wie möglich für den Braunkohlentagebau in Anspruch genommen werden soll“. Die Hofstelle liegt weniger als 150 Meter vor der alten Manheimer Kirche, deren Erhalt RWE bereits Anfang 2022 als „machbar“ bezeichnete. Die Flächen in Kerpen-Manheim (alt), die RWE für die sogenannte „Manheimer Bucht“ noch in Anspruch nehmen will, werden darüber hinaus für die Landwirtschaft und die im Koalitionsvertrag vereinbarte großflächige Vernetzung des Hambacher Waldes mit den umliegenden Wäldern benötigt.
Hintergrund:
Das Gutachten kann als Parlamentspapier des Landtags NRW online aufgerufen werden. Eine Zusammenfassung des Gutachtens finden Sie hier. Es wurde von Antje Grothus, Mitglied des Landtages, beim Parlamentarischen Beratungs- und Gutachtendienst des Landtags NRW in Auftrag gegeben und von Prof. Dr. jur. Walter Frenz (RWTH Aachen) vorgelegt. Das RWE-Zitat („machbar“) stammt aus der Massenbilanz Hambach von ahu/Fuminco aus August 2021, S. 4 und S. 98.
Kontakt: Antje Grothus ist unter antje.grothus@landtag.nrw.de zu erreichen.
Die Pressemitteilung kann auch hier als PDF heruntergeladen werden.
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