Die Braunkohleförderung am Tagebau Hambach wird spätestens 2029 enden. Nach jahrzehntelangen Protesten von Anwohner*innen und der klimabewegten Zivilgesellschaft bleiben über eine Milliarde Tonnen Kohle (und damit auch circa eine Milliarde Tonnen CO2) im Boden und der symbolträchtige und ökologisch wertvolle Hambacher Wald und das westlich von ihm gelegene Dorf Morschenich erhalten.
Doch ein neues RWE-Megaprojekt gefährdet jetzt den Hambacher Wald: Statt für Kohle möchte RWE nun für auf einer Fläche von etwa 850 Fußballfeldern den Tagebau für das Abbaggern von Sand und Kies erweitern. RWE behauptet, die so gewonnen Massen für die Formung der Tagebaufolgelandschaft und -böschungen zu benötigen – dabei gehören die bisherigen Pläne für einen gigantischen See im Tagebau Hambach auf den Prüfstand. Angesichts des klimawandelbedingten Wassermangels – man denke an den scheiternden Cottbusser Ostsee in der Lausitz und sommerliche Niedrigpegel im Rhein – ist deren Umsetzbarkeit fraglicher, als bisher angenommen. Das geplante ‚Manheimer Loch‘ – RWE nennt es malerisch die Hambacher Bucht – zerstört nicht nur landwirtschaftlich äußerst wertvolle Lössböden, sondern verhindert auch eine Verbindung des Hambacher Waldes mit anderen Waldstücken in der Region. Diese Vernetzung von ökologischen Trittsteinen ist aber notwendig, um langfristig einen guten Zustand des Hambacher Restwaldes sicherzustellen. Die Leitentscheidung für das Rheinische Revier von 2021 bestimmt, dass durch die neue Tagebauplanung „eine angemessene Vernetzung der Wälder“ ermöglicht und „Planungen oder Maßnahmen, die sie in ihrem Bestand gefährden können, auszuschließen“ sind (Entscheidungssatz 6).
Das Manheimer Loch, welches bis heute weder beschlossen noch genehmigt ist, läuft den Zielen der Leitentscheidung klar entgegen. In dieser heißt es:
„Um die Waldfunktionen des Hambacher Forstes langfristig zu entwickeln und zu sichern, ist er mit den […] umliegenden Wäldern zu vernetzen. Dazu sollen insbesondere Verbindungsflächen bzw. ökologische Trittsteine zwischen Hambacher Forst, Merzenicher Erbwald und der Steinheide hergestellt werden. […] Im unmittelbaren Umfeld der Wälder sollen keine neuen und keine Erweiterung bestehender Abgrabungsbereiche erfolgen, da dies den vorstehenden Zielen entgegenlaufen würde.“ (S.21)
Bereits jetzt werden große Mengen Sand und Kies von der RWE Tochter, den Rheinischen Baustoffwerken (RBS) am Tagebau Hambach abgebaut. Diese werden allerdings gewinnbringend verkauft und nicht zur Stabilisierung der Böschungen verwendet. Anstatt die Landschaft noch weiter aufzureißen und die umliegenden Wälder durch das geplante Manheimer Loch von einander zu isolieren, müssen wir sie vernetzen und ökologisch stärken.
Das zur Zerstörung vorgesehene Offenland zwischen den Restwäldern ist zudem ein wichtiger Lebensraum von mehr 50 Brutvogelarten, darunter etliche der „Roten Liste“. Gemäß einer durch den BUND NRW beauftragten Brutvogelkartierung kommt dem Gebiet für alle Arten eine sehr hohe und für die Arten der Roten Liste sogar eine überragende Bedeutung zu, denn hier brüten unter anderem die auf der Roten Liste geführten Arten Bluthänfling, Gelbspötter, Feldlerche, Grauammer, Rebhuhn, Steinschmätzer und Wiesenpieper. Im gesamten Untersuchungsgebiet konnten 119 Vogelarten nachgewiesen werden. Oder, wie es der BUND NRW formuliert: „RWE will eine intakte Natur- und Kulturlandschaft zerstören, um an anderer Stelle „Neuland“ zu schaffen.“
Mit dem Kiesabbau würde auch die von der Bürger- und Zivilgesellschaft als Rote Linie etablierte Trasse der ehemaligen Autobahn 4 weggebaggert. Diese gilt es aber dringend zu erhalten, denn sie ist eine wertvolle lineare Grünstruktur und als kann als Arnoldustrail eine wichtige Funktion im Strukturwandel einnehmen. Der Arnoldustrail ist ein von mir vorgeschlagener Teil eines Radschnellwegs zwischen Köln und Düren, auf dem Pendler*innen sicher und bequem unterwegs sind und Familien Ausflüge machen. Als Herzstück eines „Pfad der Transformation“ führt er vorbei an Leuchtturmprojekten des Strukturwandels: Aus Alt-Morschenich wird ein Dorf der Zukunft, in Kerpen-Buir könnte sich eine Ökologische Station der Bürgewälder und ein Hambi-Museum ansiedeln, die Kirche in Manheim identitätsstiftende und museale Projekte zur Umsiedlungsgeschichte der Region beherbergen. Die Anbindungen an den ÖPNV über die naheliegenden S-Bahnstationen in Sindorf, Horrem, Buir und Merzenich mitsamt geplanter neuer regenerativer Mobilitätskonzepte eignen sich perfekt zur Erschließung des Tagebauvorfeldes für den sanften Tourismus.
Dem Manheimer Loch stehen außerdem unüberwindbare Hindernisse im Weg: In Alt-Manheim leben noch Familien, die umgesiedelt und von ihren landwirtschaftlichen Flächen enteignet werden müssten, sollten sie ihr Eigentum nicht an RWE verkaufen wollen. Angesichts der letzten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu Enteignungen für den Kohleabbau ist davon auszugehen, dass Enteignungen für den reinen Massengewinn einer juristischen Prüfung nicht werden standhalten können. Für den sozialen Frieden am Tagebau Hambach und die Planungssicherheit für den Strukturwandel sollten wir es nicht auf langwierige Gerichtsverfahren ankommen lassen. Vielmehr ist es heute, in Zeiten multipler Krisen, mehr denn je unsere Aufgabe, die wertvollen Flächen, Ökosysteme und Potentiale auf den vor dem Kohleabbau geretteten Flächen zu erhalten und im Sinne eines nachhaltigen Strukturwandels zu erhalten.
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